Die Reise aus Aleppo

Du wachst auf, wie jeden Morgen. Du hast auch dieses Mal wieder schlecht geschlafen. Wie solltest du auch anders? Laute Schüsse und undefinierbarer Krach haben dich stündlich geweckt, aber du warst so müde, dass du danach trotzdem wieder einschlafen konntest.  Mittlerweile kannst du schließlich einschätzen, wie weit der Kampf von dir entfernt ist. Die Angst ist dein ständiger Begleiter! Ob du morgen noch Leben wirst? Fraglich. Obwohl dir kalt ist, musst du dich mit einer einzigen Decke zufriedengeben, welche du auf den Trümmern deiner Stadt bewohnst. Bei Minus 3 Grad Celsius draußen zu schlafen, wünscht du deinem schlimmsten Feind nicht. Aber du musst es tun, denn du hast keine andere Wahl. Zum Flüchten ist es nämlich zu spät…“

So stelle ich mir die derzeitige Situation im Osten Aleppos vor. Aber wer bin ich schon, um mir das wirklich vorstellen zu können? In Österreich aufgewachsen, in Deutschland wohnhaft: Als hätte mir schon jemals irgendetwas im Leben wirklich gefehlt. Stattdessen kann ich täglich Facebook-Videos von süßen Hunden anschauen, und mir danach ein paar Hass-Kommentare über Flüchtlinge durchlesen, währenddessen ich mich über die Rechtschreibung der Verfasser*innen lustig mache. Wenn es mir egal wäre, könnte ich auch jegliche Berichterstattungen ignorieren und mich stattdessen um das Allerwichtigste auf dieser Welt konzentrieren: Mein egozentrisches 0815-Leben in einem der reichsten Ländern der Welt.

Aber mir ist es schlussendlich nicht egal. Was anfangs noch mit friedlichen Demonstrationen gegen das Regime begonnen hatte, entwickelte sich über fünf Jahre  zu einem grausamen Bürgerkrieg. Unzählige Milizen und Fronten entstanden über die Jahre hinweg und bekämpfen sich nun weiterhin. Schlimmer noch: Auch andere Länder, wie unter anderem Russland und die USA, mischen sich in den Krieg ein. Warum man überhaupt kämpft? Anfangs ging es den Bürger*innen noch um ein soziales Gleichgewicht, denn durch Modernisierungsversuche der Wirtschaft hat sich die soziale Schere immer weiter geöffnet und das Verhältnis zwischen armen und reichen Leuten wurde unerträglich. Auch der Sicherheitsapparat Syriens, mit der der Staat durch Überwachung die Bevölkerung in Schach haltet, ist einer der Konfliktthemen. Das alles führte zu dem derzeitigen Krieg, unter dem nun sogar Zivilist*innen leiden müssen.

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©spiegel.de

Auch wenn ich die ganze Sache eben in einfachen Worten erklären konnte, traue ich mich nicht zu behaupten, dass ich auch nur im Ansatz verstehe, wie es den Menschen dort gerade geht. Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, was ich selbst machen würde, während meine Heimat von Bomben zerstört wird. Würde ich flüchten? Oder standhaft mein zu Hause verteidigen? Ich weiß es wirklich nicht, und ich kann auch dankbar sein, dass mich die derzeitige Situation Europas nicht zu solchen Überlegungen zwingt.

Deshalb verstehe ich den Hass auf Menschen nicht, die vor dem Krieg flüchten. Niemand von uns weiß wirklich, wie es den Personen ergangen ist und was sie durchmachen mussten. Noch weniger verstehe ich es aber, dass Leute wirklich behaupten, dass der Großteil der flüchtenden Menschen nur aus Profit aus ist, und nicht vor dem Krieg flüchtet. Diese Aussage sollte man vielleicht zweimal, wenn nicht sogar dreimal überdenken. Spätestens nachdem man aktuelle Bilder von Aleppo gesehen hat, sollte man sich die Frage stellen, wie man sich selbst fühlen würde. Denn wenn wir heutzutage eines gut können, dann ist es mehr zu reden als zu denken!

Bis bald,

Melanie

Playboy einmal anders

Kontrovers. Das ist das passende Wort. Sich als Hidschab tragende Muslima in einem beliebten Männermagazin ablichten zu lassen, erfordert definitiv Mut. Und passt natürlich gar nicht in das Bild einer Gläubigen. Die Journalistin Noor Tagouri hat es trotzdem getan und wird dafür gefeiert, aber auch hart kritisiert. „Schlampe“ und „Hure“ sind noch die nettesten Ausdrücke, die Tagouri für ihre Aktion erntete. Verständlicherweise kamen diese Äußerungen von konservativen Muslim*innen. Aber auch Frauenrechtsaktivist*innen übten harte Kritik an den Bildern, denn schließlich gebe es auch Frauen, die dazu gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen.

So wie es aussieht, hat sich in unseren Köpfen ein schematisches Denken eingenistet, welches nur schwarz oder weiß erlaubt.  Der Playboy steht, auch trotz Interviews und Geschichten, für Nacktheit und kann einem das Gefühl vermitteln, dass Frauen genau auf das reduziert werden. Jedoch hat sich das Blatt gewendet, denn seit dem Herbst 2015 werden keine nackten Bunnys mehr in den amerikanischen Ausgaben abgedruckt. „Die Zeiten ändern sich“, hieß es damals kurz und knapp. Also warum sollte man dann keine Hidschab tragenden Muslima in einer Ausgabe zu sehen bekommen?

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Noor Tagouri auf ihrer Instagram-Seite. ©Noor Tagouri

 

Noor Tagouri erscheint im Playboy in der Serie „Renegade“, also zu Deutsch „Abtrünnige“. In der Rubrik geht es um Menschen, „die alles – sogar ihr Leben – riskiert haben, um das zu tun, was sie lieben“. Das Ziel der Journalistin ist es, eine erfolgreiche Reporterin zu werden. Trotz oder eben gerade mit Hischab. Mit ihren 22 Jahren hat die junge Amerikanerin mit libanesischen Wurzeln schon so einiges erreicht. Highschool-Abschluss mit 16 und Universitäts-Abschluss mit 20: Um ihren Traum näher zu kommen hat Noor Tagouri keine Zeit verschwendet. Im Moment arbeitet sie für die Nachrichenwebsite „Newsy“ und steht kurz davor, eine eigene Nachrichtensendung zu präsentieren.

Schenkt man einer Studie der Ökonomin Doris Weichselbaumer glauben, gleicht der berufliche Erfolg der jungen Journalistin einem Wunder. Wie Der Standard berichtete, haben Frauen mit Kopftuch schlechtere Jobchancen und werden am Arbeitsmarkt regelrecht diskriminiert. Jedenfalls in Deutschland und Österreich. Doch vielleicht ist genau diese „Einzigartigkeit“ ausschlaggebend für den Erfolg von Tagouri in der Medienbranche. Was nicht heißen soll, dass es ihr besonders leicht gemacht wird. Auf viele Interview-Anfragen bekommt sie Antworten wie: „Mit Leuten wie dir rede ich nicht.“

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Noor Tagouri auf ihrer Instagram-Seite. © Noor Tagouri

Vielleicht sorgen  Noor Tagouris Bilder  im Playboy doch für ein kleine Revolution in den Köpfen der Leute. Denn die Fähigkeiten einer Person beschränken sich nie auf äußere Erscheinungsmerkmale. Wie dem auch so, egal ob nun im Playboy oder als Nachrichtensprecherin: Ihr hübsches Gesicht und ihre positive Ausstrahlung können sich auf alle Fälle sehen lassen. Daran ändert ein Kopftuch nichts.

Bis bald,

Melanie